Veröffentlichungen: bod

Bücher über die keiner spricht

Jenseits des Literaturprinzips:
„books on demand“ hat längst einen zweiten Buchmarkt etabliert

von Micha Hektor Haarkötter

Norbert Bogdon ist ein ausgewiesenes Arschloch. Oder kennt sich jedenfalls mit solchen sehr gut aus. Und hat ein Buch darüber geschrieben: „Tagebuch eines Arschlochs“, ein Roman. 196 Seiten für 10,17 Euro. Aber niemand spricht darüber. Keiner schreibt eine Rezension über sein Werk. Großformatige Anzeigen im Inseratenteil der Feuilletons? Fehlanzeige!

Nicht etwa, weil das Sujet degoutant wäre. Bücher über Arschlöcher und Bücher von Arschlöchern wurden zuhauf schon in den Literaturbeilagen besprochen, manchmal sogar verrissen. Auch nicht, weil sein Buch schlecht wäre. In Wahrheit ist es weder gut noch schlecht. In dem Buch finden sich Rechtschreibfehler, Neologismen und Manierismen, wie man sie auch aus anderen Büchern kennt. Anfängerfehler eben, die dem Buch ein ordentlicher Lektor schon austreiben würde. Alles kein Grund, das Buch so vollständig zu ignorieren. Denn es ist erfolgreich. Wenn man so will: ein „bestseller“. 1.500 Exemplare hat Bogdon von seinem Roman bereits verlegt. Dabei hat Bogdon keinen Verleger. Er hat sein Buch bei „books on demand“ herausgebracht. Und das ist es, was sein Erstlingswerk für den Literaturbetrieb degoutant macht.

„books on demand“ (bod) hält exakt das Versprechen, mit dem die Norderstedter Firma, eine Tocher des Büchergrossisten Libri angetreten ist: die „Demokratisierung des Buches“. Anstatt eine feste Auflage vorab zu produzieren, Exemplar für Exemplar zu lagern und zu verkaufen, wird bei bod der Inhalt des Buches als digitales Master in großen Computern gespeichert und erst auf Bestellung – „on demand“ – gedruckt. Über den Großhändler Libri ist das Werk, noch bevor die allererste Kopie angefertigt wurde, praktisch zu bestellen. Es hat eine isbn-Nummer, steht im VLB, dem „Verzeichnis lieferbarer Bücher“, und ist auch sonst mit jedem Firlefanz ausgestattet, der dem deutschen Buchmarkt zu jener sich ständig selbst lobenden Einzigartigkeit verholfen hat. Auf Wunsch sogar mit Lesebändchen.

Der Literaturbetrieb ist exklusiv: Anerkanntes Mitglied wird nur, wer sich im System der Literaturpreise behauptet oder den kritischen Blick im Eingangslektorat übersteht. Buchhändler können „on demand“ gedruckte Bücher nicht remittieren und lassen darum gleich die Finger davon. Die KollegInnen vom Feuilleton würdigen solche Werke nicht eines Blickes, von dem sie annehmen müssen, daß es ungeprüft die Leserschaft erreicht. Und exklusiv schließlich auch der „Verband deutscher Schriftsteller“: Zwar könne jeder Mitglied des Verbands werden, behauptet die Geschäftsordnung. Allerdings müsse er sein „fachliches Können“ hinreichend darlegen. Eine Buchveröffentlichung tauge dazu nur, wenn sie „nicht durch Einsatz eigener Geldmittel erkauft“ sei.

Der schreckliche Verdacht, der den Buchbetrieb da treibt, wurde früher „vanity press“ betitelt. Da wolle sich einer nur „gedruckt sehen“, um seine Eitelkeit zu befriedigen. Bis vor kurzem wurde dieser Büchermarkt der Eitelkeiten von den Druckkostenzuschußverlagen abgedeckt. Das sind die Häuser, die den überregionalen Zeitungen ein schmackhaftes Zubrot bescheren mit Inseraten wie „Schreiben Sie gerne?“ oder „Verlag sucht Autoren“. Was immer diese Zuschußverlage auch über ihre Qualitätsstandards und Lektorate behaupten, gedruckt wird jeder, der zuschießt, und das nicht zu knapp: Mit zwischen 3.000 und 15.000 Euro kann ein mittelprächtiges Buch die AutorInnen teuer zu stehen kommen. Wenn das nicht exklusiv ist!

Das Demokratische an „books on demand“ ist also insbesondere: der Preis. Ein Buch mit 180 Seiten kostet als Paperback einen Basispreis von 374 Euro. Die Hardcoverversion nur 90 Euro mehr. Unschlagbar günstig ist das nicht nur für Nachwuchs-Romanciers oder Feierabendlyrikerinnen. Es lohnt sich besonders in der Wissenschaft, wo etwa DoktorandInnen Pflichtexemplare ihrer Qualifikationsschriften abliefern müssen. 50 % aller Titel bei bod sind Sachbuchtitel. Den Ladenverkaufspreis kann der Selbstverleger selbst bestimmen: Buchkosten zuzüglich Buchhandelsrabatt zuzüglich Autorenmarge. Die Rechte fürs Buch bleiben grundsätzlich bei den AutorInnen, bod versteht sich als reiner Dienstleister. Da bod nicht als Verleger auftritt, kümmert sich die Firma auch nicht ums Marketing. Verkaufen müssen die AutorInnen schon selbst. Und daran hapert es am meisten. Zwar hat bod von den ca. 8.000 Titeln im Angebot mittlerweile weit mehr als 1 Million gedruckt und verkauft. Aber ebenso kommt es vor, daß Titel nur auf dem Server liegen und gar nicht verkauft werden. Kein Wunder, daß die „top 20“-Liste regelmäßig von solchen Titeln dominiert wird, deren Überschriften schon das Marketing beinhalten: „Frauen schnell verführen – wie Sie jede Nacht eine andere Frau haben können“ oder kurz und knapp „Power Penis“. Das ist dann wohl die Schlagseite der Demokratisierung.

Die digitale Revolution Gutenbergs ist nicht, wie viele wähnten, die Netzliteratur. Es ist die digitale Herstellung des guten alten gedruckten Buchs. Natürlich kann man seine Texte auch einfach ins Internet stellen, nur: das will eben keiner.

Romanautor Norbert Bogdon bewies auch im Marketing Phantasie: Er druckte 10.000 Handzettel und legte sie in Buchhandlungen zwischen die Seiten derjenigen Bücher, die thematisch am ehesten mit dem seinigen verwandt schienen. Die feine englische Art ist das nicht, aber in seinem Roman geht es ja auch um ein Arschloch.

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